Gibt es sowas wie negative Energie?

Mir ist schon häufiger der Begriff „ Negative Energie “ begegnet. Oft auch in Zusammenhang mit Eigenschaften, die manche Menschen angeblich haben. Jemand sei negativ, raube jemand anderem seine Energien … Und dann gibt es noch die Vorstellung, man möge sich auf seinem spirituellen Pfad von solchen Menschen fernhalten, da sie einen in der eigenen Entwicklung aufhalten könnten.

Ist das nicht Arrogant? Selbstgerecht? Vermessen? Meiner Ansicht nach auch völlig fehlgeleitet und gefährlicher Ausgangspunkt für sehr viel Übel und Leid.

Christopher Wallis sagt hierzu: Was ist eigentlich Energie? Die Antwort der Physik wie auch der spirituellen Forschungen besagt: „Energie ist die Kraft, etwas zu bewirken oder zu transformieren. In diesem Sinne kann es keine Negative Energie geben!“

Die philosophische tantrische Idee, die hinter Anusara Yogasteht besagt: See the good first! Schau zuerst auf das Gute. Alles in der Welt ist eine Verkörperung des höchsten Bewusstseins. Die Welt ist keinesfalls verführerische Illusion (Maya), sondern es geht darum, die Herausforderungen, die mir das Leben stellt, willkommen zu heißen. Freiheit wird durch die Ausrichtung mit dem Fluss der Schöpfungskraft erlangt. Es geht nicht um Dominanz, Beherrschung, Unterdrückung, Kontrolle oder Ausbeutung der Natur – weder der eigenen, noch der anderer Menschen oder meiner Umgebung. Was natürlich auch bedeutet, dass ich mich nicht willentlich in schwierige Situationen begebe oder mich in anderer Leute Angelegenheiten einmische.

Können Menschen negative Energie haben?

Vor diesem Hintergrund kann es keine Menschen mit negative Energie geben, die mir die Kraft rauben und mich auslaugen. Was einen auslaugt ist die Tatsache, dass man selbst nicht die angemessenen und gesunden Grenzen gezogen hat. Anstatt andere zu beschuldigen, gilt es selbst die Verantwortung für das eigene Empfinden aufzunehmen. Jeder entscheidet selbst, wie viel Raum und Zeit man jemand anderem oder einer Sache widmet, ich bestimme die Grenzen. Und genau das ist meine und deine Aufgabe, du ehrst weder dich selbst noch jemand anderes, wenn du hier nicht ehrlich bist (satya).

Vielmehr stellt sich mir die Frage, was bewirke ich mit meinen Energien? Wie treffe ich die bestmögliche Entscheidung für mich selbst und für mein Umfeld (viveka)? Wie gehe ich mit den Menschen und Situationen um, die mir begegnen?

Habe ich die Verantwortung für ein Kind, einen behinderten oder alten Menschen übernommen, ist die Aufgabe klar. Ich muss für mich und den anderen einstehen, eingreifen, meine Energien einsetzen und mich einbringen. Hier geht es eher darum, mich nicht vollständig zu verausgaben, damit sowohl für mich selbst, wie auch für meinen „Schutz-Befohlenen“ ausreichend Energie für Handlungsfähigkeit, Lebendigkeit und Freude verfügbar ist.

Für alle anderen Menschen und Situationen gilt es, genau und ganz bewusst abzuwägen, ob meine Aktionen neutral sind, oder geprägt von eigener Bedürftigkeit, Geltungssucht oder getrieben von alten Verletzungen. Helfe ich anderen indem ich mich einbringe, oder möchte ich ihnen meine Überzeugungen aufdrücken? Nehme ich Anteil oder schleudere ich meine eigenen emotionalen Energien achtlos und unbedacht umher und erschaffe dadurch neue Dramen (und damit neues Karma). Kämpfe ich weil es „richtig“ ist, oder weil ich „recht“ haben will?

Es geht darum, mich ganz bewusst für die Aktion zu entscheiden, die für mich und für andere die beste ist (brahmacharya), die Entwicklung und Freude (oder zumindest möglichst wenig Leid) nach sich zieht (ahimsa).

Selbstüberprüfung

Guru Rattana empfiehlt hier eine regelmäßige Innenschau:

  1. Wie und warum lasse ich mich auf Menschen, Geschichten und Ereignisse im Außen ein, mache ich mir ihre Aufgaben zu eigen?

  2. Wie und warum flüchte ich in erdachte Geschichten, halte ich an meinen eigenen Dramen fest?

  3. Wie und warum vermeide ich es, mir selbst und meinen Gefühlen zu begegnen?

Wir haben uns über viele Jahre hinweg unsere emotionalen Reaktionen und Gewohnheiten antrainiert und in unserem Unbewusstsein verankert. Wollen wir Strategien ändern, die uns und anderen nicht dienlich sind, so ist dies viel Arbeit. Wir müssen viele Male bewusste Entscheidungen treffen, unsere Energien bewahren, nützlich einbringen und transformieren. Indem ich mich als Opfer von äußerer Negativität definiere, trete ich meine eigene Macht und Verantwortung ab. Befreiung aber setzt Selbstermächtigung voraus, die Fähigkeit, die eigene Kraft bewusst und aktiv einzusetzen, sich nicht durch andere oder äußere Einflüsse von der schöpferischen, universellen Wahrheit abbringen zu lassen – die ich hoffentlich daran erkenne, dass sie mir und anderen dient. Siehe auch Blogbeitrag: Bodhichitta.

(inspiriert durch die Facebook Posts von Christopher D. Wallis (Hareesh) „Die nahen Feinde der Wahrheit #4 – Negative Energie“; sowie durch Guru Rattana: „Die Gabe Frau zu sein, deutsche Übersetzung von Brigitte Heinz“)

Brigitte Heinz, Yogaübersetzung und Yogalehrerin Openlotus
Yoga Allianz + Anusara Elements zertifiziert

Über

Grafikerin Web & Print, Yogalehrerin YA, Übersetzerin